Geschichten
Bellthal Moselsprudel in Kobern-Gondorf
Rudolf Schäfer, Kuratorium für Heimatforschung und –pflege Kobern-Gondorf, © 5/2020
Entstehung der Sauerbrunnen
In Kobern und der Umgebung befindet sich eine Reihe von kohlensäurehaltigen Quellen, die vulkanischen quartärzeitlichen Ursprungs sind (siehe untenstehende Karte). Die aufsteigende Kohlensäure verbindet sich in einigen hundert Meter Tiefe mit dem Grundwasser und löst beim Aufsteigen an die Erdoberfläche Mineralien aus den Gesteinen und Erdschichten. Aus der unten stehenden Karte kann man die Standorte einiger natürlich austretender Mineralquellen rund um Kobern entnehmen: Alte und Neue Bellthalquelle, Guidoborn, Sauerbrunnen und Margarethenbrunnen.
Bellthalsprudel – eine Heilquelle
Als nach dem Wiener Kongress die Rheinlande an Preußen fielen, gab man 1825 dem Winninger Apotheker Dr. Arnoldi den Auftrag, die Mineralquellen der Umgebung auf ihre Zusammensetzung zu untersuchen (Gutachten von Dr. Arnoldi im Landeshauptarchiv Koblenz). Dr. Arnoldi bezeichnet den Bellthal Brunnen „als der gesundeste, edelste und beste. Sein kristallhelles Wasser hat durch seinen reichen Gehalt an freier und gebundener Kohlensäure einen überaus angenehmen, erfrischenden und belebenden Geschmack. Er wird ausnehmend wohl vertragen auch von Personen, die kaltes Wasser nicht gewöhnt sind, regt den Appetit an und belebt die Verdauung, indem sein reicher Gehalt an doppelkohlensaurem Natron und kohlensaurem Magnesia den Magen belebt und stärkt,… Es befördert außerdem auf eine energische und doch milde Weise die Abscheidungen der Darmschleimhaut, der Leber und der Nieren und wirkt dadurch, wie meine lange Erfahrung zeigt, als vortreffliches Heilmittel aller chronischen Unterleibsbeschwerden.“
Es ist nicht verwunderlich, dass das Bellthal Wasser somit nicht nur als Bellthal Moselsprudel sondern auch als Heilwasser mit dem Namen „Ferrobell“ verkauft wurde. Den Namen ließ man sich beim kaiserlichen Patentamt in Berlin bestätigen.
In einer der letzten Analysen vom 01.07.1969 durch das Laboratorium Dr. C.Stähler in Lahnstein enthielt der Bellthalsprudel folgende Werte:
- Chloride | 15,9 mg/kg |
- Ammonium | 1,0 mg/kg |
- Sulfate | 25,6 mg/kg |
- Kieselsäure | 16,0 mg/kg |
- Eisen | 0,33 mg/kg |
- Mangan | 1,38 mg/kg |
- Calcium | 164,0 mg/kg |
- Magnesium | 84,8 mg/kg |
- Natrium | 142,4 mg/kg |
- Kalium | 20,2 mg/kg |
Gesamt Alkalinität | 16,3 mg/kh |
Bei der Koberner Bevölkerung waren die Sauerbrunnen, wie man die Mineralquellen im Volksmund nannte, vor allem in heißen Sommertagen sehr gefragt. Nicht nur auf dem Weg in die Weinberge oder auf die Felder füllte man sich als kostenloses Tagesgetränk eine Flasche mit Sprudel ab, sondern auch die Kinder wurden mit kleinen Handkarren (Buakärcher= Brunnen-Wägelchen) an die Quellen zum Abfüllen von Flaschen geschickt.
Bellthal Orangen Limonade mit Bügelverschluß, Bellthal Moselsprudel mit Schraubverschluss und ein ursprünglicher Tonkrug.
Die Geschichte der Firma „Bellthal Moselsprudel“
Die industrielle Nutzung der Bellthalquellen begann im Jahre 1870. Ein D. Fleischl aus Koblenz entwickelte allmählich die Produktion und den Verkauf von Bellthalsprudel. Er begann mit dem Abfüllen von 500 Tonkrügen und steigerte die Kapazität auf 1500 Steinkrüge im Jahre 1873.
Im Jahre 1877 ließ eine britische Firma das Bellthalwasser untersuchen und kam bestärkt durch die Analyse des englischen Chemikers Dr. Arthur Hiel-Hassel zu einem sehr positiven Ergebnis. Es wurde eine britische Gesellschaft mit dem Namen „The Bellthal Brunnen Company“ in London gegründet, die die Brunnenrechte D. Fleischl abkauften. Die neue Gesellschaft errichtete im oberen Tal unterhalb der drei Belltalquellen neue Wohn- und Wirtschaftsgebäude. Die Produktion wurde bereits im Jahre 1877 auf 150 000 Flaschen gesteigert und erreichte in den folgenden Jahren eine Anzahl von 10 000 Krügen und 500 000 Flaschen.
Alte Abfüllanlage von 1877, im Hintergrund die Villa „Waldfrieden“ des Herrn von Rath.
Mittlerweile machte es der wachsende Bedarf an Mineralwasser notwendig, neue Quellen bis zu einer Tiefe von 30 m zu bohren. Diese neue Quelle erbrachte ein wesentlich stärker kohlensäurehaltiges Wasser mit einem Ausstoß von 216 000 Liter am Tag.
Zu Beginn des 20.Jahrhunderts erwarb eine neu gegründete Aktiengesellschaft mit dem Namen „Bellthal Moselsprudel Aktiengesellschaft Traben-Trabach/d Mosel“ den Bellthal Brunnen und stieg mit einem frischen Kapital von 350 000 Mark ein. (Siehe Bilder in der Foto-Galerie)
1912 wurden neue Büro-, Produktions- und Lagergebäude unmittelbar nebender Moseltalbahn von der Baufirma Reck aus Kobern errichtet. Die neue Firma intensivierte neben dem Verkauf in Deutschland auch den Export nach Großbritannien, USA, Frankreich, Ungarn und Österreich.
(Foto K.-H. Goergen) Lastwagen des Bellthal Moselsprudel aus der Vorkriegszeit mit Hans Koggel (links) und Heinrich Goergen (rechts). Im Koberner Volksmund die „Belldals Kest“ genannt.
Zeit seines Lebens arbeitete Peter Günther bei der Firma Bellthal Moselsprudel. Seine Familie wohnte zuerst im Bahn Haus in unmittelbarer Nähe der Fabrik. Später zog dann die Familie in die Betriebswohnung oben im Bellthal, wo auch die Villa Waldfrieden stand.
Else Schäfer, Tochter von Peter Günther, vor ihrer Betriebswohnung.
Der „Waldmensch“ vom Bellthal
Im Jahre 2007 lebte in der ehemaligen Betriebswohnung der Bellthalsprudel GmbH im ersten Stock 18 Monate lang Joseph Paccione. Er kam aus der New Yorker Bronx. Als Gartenbaustudent war er 2000 nach Deutschland gereist, erst einmal als Tourist. Er entschloss sich in Deutschland zu bleiben und suchte sich Arbeit zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes. Er jobbte in einer American Bar in Koblenz und später in einem Burger King. Er lernte eine deutsche Frau kennen, aber die Beziehung ging in die Brüche. Joseph Paccione wurde arbeitslos. Er suchte eine Unterkunft, die möglichst wenig kostete und entdeckte die leerstehende Betriebswohnung der ehemaligen Bellthalsprundel GmbH, verlassen und versteckt im Wald vom Bellthal. Dort richtete er sich zum Leben ein.
Seine große Sorge war, dass er so einsam im Wald verwahrlosen könnte. Um dem entgegen zu wirken, duschte er jeden Tag, im Sommer im Bellthalbach und im Winter an der Esso Tankstelle. Er rasierte sich täglich und besuchte alle vier Wochen den Friseursalon in Kobern. Mit allem Lebensnotwendigen versorgte er sich im Supermarkt in Kobern. Er war sehr anspruchslos und lebte von den Ersparnissen seiner fünfjährigen Arbeit. Die langen Winterabende verbrachte er mit Lesen, denn das halbverfallene Haus hatte weder Strom noch Wasser noch Heizung. Es ist nicht verwunderlich, dass er im Wald viel mit Zecken zu tun hatte und eines Tages an Borreliose erkrankte. Gegen die Schmerzen nahm er Cannabis. Seien es die Bambuspflanzen am Eingang seines Hauses, die für Hanfpflanzen gehalten wurden, oder seien es die Gerüchte, die in Kobern und Wolken über ihn verstreut wurden, jedenfalls rückte eines Tages die Polizei mit Hunden an, verhaftete Joseph Paccione und durchsuchte das Haus. Sie fand 148,5 Canabis-Pollen. Das genügte, um Joseph wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz zu verhaften. Was weiter geschah ist unbekannt.
(Foto Blotzki 2020) Das ist die Ruine der durch einen Brand zerstörten Betriebswohnung heute.
(Foto Blotzki 2020) Die Villa Waldfrieden heute.
(Foto: Blotzki 2020) Deutlich kann man auf dem Foto in der Ruine der alten Abfüllanlage die beiden Becken erkennen, in denen das Mineralwasser 48 Stunden stehen musste, damit das im Sprudelwasser befindliche rötliche Eisen sich am Boden ablagerte. Die beiden Wohnhäuser hatten keinen öffentlichen Wasseranschluss. Sie musste als Trinkwasser das Mineralwasser benutzen. Für das Waschen von Wäsche war das aber nicht geeignet. Zum Waschen holte man das Wasser aus dem Bellthalbach.
1952 übernahmen zwei neue Inhaber die „Bellthal Moselsprudel Aktien Gesellschaft GmbH“, der Sektkellereibesitzer Sartor aus Koblenz und der Mitbesitzer der Königsbacher Brauerei Knödgen aus Koblenz. Betriebsleiter wurde der ehemalige Aktionär Herr vom Rath, der im oberen Bellthal in der Villa „Waldfrieden“ wohnte.
Betriebsausflug der Belegschaft 1952:( von links nach rechts) Oben: Jupp Schunk, Herr vom Rath, Jakob Durst, Georg Naunheim, ? In d. Mitte: Jakob Jakobs, Gertrud Günther, Peter Günther, Frau vom Rath, Agnes Durst, N. Naunheim , Else Günther. Unten: Edmund Reif, Annemie Hullay, Else Günther, Wilma Kohlbecher.
In der Zeit von 1952 bis 1974 wurden jährlich ca. 2 000 000 Bellthal Sprudel und Limonade verkauft. Die Abfüllung wurde immer in Handarbeit vorgenommen und es war unumgänglich den Betrieb zu rationalisieren und automatisieren, um im Wettbewerb bestehen zu können. Die beiden Inhaber konnten sich darüber aber nicht einigen, so dass der Bellthal Moselsprudel 1975 geschlossen wurde. 10 Männer und 12 Frauen verloren ihre Arbeitsstelle.
(Foto Blotzki) Johann Seibert, Jahrgang 1911 – betreute viele Jahre auch nach der Schließung die Bellthal Quellen.
Vor 6 Jahren erwarb U.Schm., der aus Bad Neuenahr stammt, die gesamte Anlage mit den Brunnen, der Villa Waldfrieden und der ehemaligen Bellthalsprudel Fabrik von der Firma Königsbacher. Er saniert seit einiger Zeit das alte Fabrikgebäude und die Außenanlage.
Weitere Bilder u.a. von der Produktionshalle und der Belegschaft finden Sie in der Foto-Galerie.
Besonderer Dank gilt Else Schäfer, Karin Blotzki und Karl-Heinz Goergen für ihre Unterstützung bei der Recherche.
Die Geschichte können Sie sich auch im PDF-Format herunterladen [3,4 MB]
Bellthal Moselsprudel | Foto-Galerie
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